Galgant - ALPINIA GALANGA,  ALPINIA OFFICINARUM

Galgant - ALPINIA GALANGA, ALPINIA OFFICINARUM

July 30, 2020Alfons Schuhbeck

Wenn man einen prominenten Bruder hat, ist es nicht leicht, aus dessen Schatten zu treten. Wann immer man Galgant verwenden könnte, ist der Ingwer meist schon zur Hand. Früher hatte der Galgant noch einen anderen starken Konkurrenten: den Pfeffer. Doch diese Zeiten sind vorbei - bei uns ist Galgant wieder im Kommen.

Herkunft und Geschichte

Galgant stammt aus Südchina oder-Südostasien (Java). Nach Europa kam er, als Pfefferersatz, erst im 9. Jahrhundert. Araber und Byzantiner trieben Handel über Byzanz und die Häfen des Vorderen Orients. Zum Ende des Mittelalters blühte das Gewürzgeschäft zwischen Indien, Fernost und Europa. Und der Galgant verschwand aus unseren Küchen - denn Echter Pfeffer wurde erschwinglich. Dabei waren unsere Vorfahren bestimmt fasziniert vom Galgantpulver. Es entfacht auf der Zunge ein Geschmacksszenario in drei Akten, seine erfrischende Pfeffrigkeit ist die Überraschung: Für den Bruchteil von Sekunden schmeckt es limettenfruchtig wie Ingwer, wird dann pfeffrig scharf und geht in eine angenehme Herbheit über, wie bei einem italienischen Amaro (Bitterlikör).

Qualität und Inhaltsstoffe

Galgant ist als frische Wurzel, getrocknete Wurzel (in Scheiben) und als Pulver auf dem Markt. Frische Wurzeln gibt es als Großer Galgant (Alpinia galanga) und - bei uns seltener - Kleiner Galgant (Alpinia officinarum). Botanisch korrekt ist Galgant ein sogenanntes Rhizom, ein knolliger Wurzelstock wie Ingwer. Er sieht dem Ingwer ähnlich, doch seine Schale ist transparenter, heller und hat die orange-braunen „Tigerstreifen". Die Pfeffrigkeit von Galgant ist in zimtige, holzige und zitrusfruchtartige Nuancen eingebettet. Sein ätherisches Öl setzt sich unter anderem zusammen aus den Duft- und Geschmacksstoffen Zimtsäure, Cineol (wie im Eukalyptus), Eugenol (wie in Gewürznelken), Bergamoten und Kampfer. Wie beim Ingwer kommt die Schärfe durch ein Harz, das zur Gruppe der Gingerole gehört. Im getrockneten Galgant, also auch im Pulver, dringt der Geschmacksstoff Farnesen durch. Er ist ebenso im schwarzen Pfeffer und manchen Minzesorten enthalten.

Verwendung in der Küche

Die Küchen Chinas, Südostasiens und Thailands haben Galgant über Jahrtausende die Treue gehalten. Man nennt Galgant auch „Thai-Ingwer". Viele thailändische Spezialitäten erhalten ihren typischen Geschmack unter anderem durch Galgant. Beispielsweise die beliebten Suppen Tom yam, eine klare Brühe mit fruchtig-säuerlicher Note, und Tom khaa, eine scharfe Hühnersuppe mit Kokosmilch. Frischer Galgant würzt die thailändische rote Currypaste, Galgantpulver die marokkanische Mischung Ras-el-Hanout. Getrocknete Galgantscheiben müssen vor Gebrauch eine halbe Stunde eingeweicht werden; vor dem Servieren sollte man sie entfernen. Sie geben Suppen, Saucen, Fonds und Schmorgerichten eine feinherbe Pfeffernote. Galgantpulver passt gut zu Fleisch (Wild, Rind, Schwein) - vor allem zu Grillfleisch, Ente und Gans.

Gesundheitsfördernde Eigenschaften

Bitterstoffe im ätherischen Öl des Galgantwurzelstocks können funktionellen Störungen der Gallenblase vorbeugen. Außerdem regen seine Scharfstoffe die Durchblutung an und wirken entzündungshemmend. Galgant hat deshalb als Heilmittel in der indischen wie auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin eine lange Geschichte. Hildegard von Bingen (1098-1179) empfahl Galgantpulver gegen Magen-Darm-Krämpfe und leichtere Gallenbeschwerden.

Mein Tipp - Wirksam wie ein Digestif

Galgant kann, wie frischer Ingwer, in Scheiben geschnitten, gehackt oder gerieben verwendet werden. Seine Schärfe ist weniger beißend als die des Ingwers, tendiert mehr ins Pfeffrige und harmoniert gut mit Fleisch, ebenso mit kohlenhydratreichen Gemüsesorten wie Kürbis oder Kartoffeln. Eine Spur Galgant gebe ich auch an fetthaltige Speisen wie Schweinebraten, Gans oder Ente sowie an Gewürzmischungen mit Ingwer. Seine Bitterstoffe wirken sich positiv auf die Verdauung aus - er ist eine wichtige Zutat vieler Kräuter-Digestifs.

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